Schlemmen
Das Wetter meint es gut mit uns in den vergangenen Tagen. Es folgen leichte Wolken, anschließend Sonnenschein und kühles Wetter in den Bergen, warme Tage in den Tälern - der Unterschied ist immer wieder frappierend, selbst bei einem Höhenunterschied von nur 1.000 Metern, plus Schatten im Wald und Verdunstungskälte. Deshalb dauert es auch lange, bis nach den Regenfällen der Pfad wieder trocken ist. Die ersten Tage sind sehr anstrengend, denn wir müssen oft von Stein zu Stein zu Wurzel zu Stein tänzeln und trotzdem aufpassen, dass wir uns nicht langmachen. Mit der Zeit strengt es wirklich an und belastet die Waden auch wesentlich stärker. Andererseits sind wir inzwischen schon 3 ½ Wochen unterwegs und haben ein paar Sachen drauf. Zudem gibt es auch flachere Teile - eine willkommene Abwechslung.

Unsere Schlemmerfahrt geht natürlich weiter. Obstsalat gehört an einem Ruhetag zu unserem Lieblingsfrühstück, das Chili con Carne ist einfach nur lecker, Käsesuppe mit selbstgebackenem Brot (noch leicht warm) und Margarine ein Gedicht. Viele andere Wanderer erzählen uns, dass sie unterwegs gar nicht genug essen können, wir schaffen es. Allerdings gehen wir auch nicht den ganzen Weg und fühlen uns deshalb nicht vom nahenden Winter im Norden oder irgendwann im Süden gehetzt. Die Zeit der Essenszubereitung und das Essen selber gehören zu unseren besten Zeiten mit der ganzen Gruppe zusammen und das Kochen dauert schon seine Zeit. Franzi hat letztens die Glut für das Brot perfekt hinbekommen, die salzige Margarine hat Phines fehlendes Salz bei der Teigzubereitung ausgeglichen - Phine kocht zur Zeit viel, richtig klasse. David ist unser Mehlträger, selbstlos packt er sich immer wieder die 5 Pfund auf den Rücken. Letztens noch das Hackfleisch für den Abend, als es auf einmal auftauchte und keiner mehr so gerne etwas nehmen wollte! Unser Crunchy mit echtem Vermonter Ahornsirup, guter Butter und neben den Haferflocken vielen getrockneten Früchten ist meiner Meinung nach weiterhin ein Hammer, auch wenn viele für ein paar Tage ausgesetzen.

Barzi holt den Handarbeitsunterricht nach, denn er hat schon 2x seine Hose genäht und muss schon wieder ran (heute geht es aber erst ans Kleben seiner Wanderschuhe). Phine muss auch bereits zum 2. Mal nähen, Sophie müsste schon seit einer Woche, aber hält sich weise zurück, weil es bei den anderen so wenig bringt. Außerdem hat sie sogar 2 leichte Hosen dabei - dummerweise sind beide hell. Ich entwickle mich leider gerade zu einem "Schlürpott". Erst habe ich meine Handtuchkombination privat vergessen (David hat dann noch ein unbenutztes Geschirrtuch in seinem Rucksack entdeckt - es ist sowieso unglaublich, wie groß die Rucksäcke sind, denn wenn mal was gebraucht wird, ist es garantiert "ganz unten im Rucksack", da müssen alle ein Riesenfach haben), dann hat mir Barzi mein Kochgeschirr hinterher getragen, anschließend habe ich privat meine Isomatte vergessen (und hatte noch Glück, dass ich nur 10 km hin und zurück zu gehen hatte, allerdings auch mit einem Steilstück von 500 Höhenmetern drin) und gestern meine 1 Liter Wasserflasche; direkt am Wegesrand, vor dem Trampen ins nächste Städtchen - morgen geht's von dort weiter, aber ich habe wenig Hoffnung. Die Schüler finden es witzig, dass "ich mir nächstes Jahr die Ostereier selber verstecken kann" - aber für den Rest des Jahres hat das echte Nachteile.

Die 150 Meilen von Vermont haben wir hinter uns und wir befinden uns jetzt in den Berkshires im Westen von Massachussetts. 40 der 80 Meilen in MA haben wir auch schon hinter uns, das nächste Mal werde ich mich wohl auch Connecticut melden. Gestern haben wir uns richtig viel vorgenommen, 27 km und anschließend nach Lee, MA, trampen. Auf dem Streckenprofil eines Wanderers haben wir sehen können, dass es einige Flachstücke gibt. Wir haben uns von 8 bis 17 Uhr Zeit gegeben. AG und Franzi sind über eine Stunde früher da, trotz ihrer langen Mittagspause - denn sie haben nur diese eine Pause gemacht! Nichts für mich, Konsti und ich haben spätestens stündlich gerastet. Konsti gefiel es gut und ich musste es machen, denn schließlich kann ich keinen Hüftgurt benutzen und mit der Zeit stellt sich ein stechender Schmerz in der Schulter ein; das hat aber mal nichts mit dem Alter zu tun! David und Barzi sind erst spät los, schaffen es aber 12 Minuten vor 5 und Sophie und Phine kommen tatsächlich um 2 vor angeschlappt. Trampen läuft wieder wunderbar, dann erringt AG den Hauptgewinn für uns, denn sie fragt mit Barzi bei einem alten Ehepaar an. AG ist ja eine am Zürichersee wohnende Italienerin und Susan, seit 52 Jahren mit Bill, 82, verheiratet, ist in Zürich aufgewachsen. Die beiden sind einfach klasse, so richtig liebe Großeltern, die uns für anderthalb Tage adoptieren, inzwischen auch bekochen, zum Einkaufen fahren und sehr an uns interessiert sind. Morgen müssen wir wieder weiter, leider, aber zum Abschied fahren sie uns noch zum AT zurück.

Ja, unser Ziel, Harpers Ferry, hat es schon in sich. In den ersten Wochen haben wir an den Ruhetagen Meilen verloren. Das war geplant, musste sein, aber inzwischen versuchen wir nicht weiter "Miese" anzuhäufen. Heute Abend sind wir 19 Meilen zurück, in einer Woche werden es eher ein paar weniger sein, später holen wir dann auf, um uns auch NYC ansehen zu können - kennt vielleicht ein werter Leser dieser Zeilen "zufällig" jemanden in oder um New York City, der uns für 1, 2 Nächte Unterkunft gewähren würde? Wir zelten gerne im Garten oder quetschen uns in eine Abstellkammer, haben genug Geld für unser Essen uns sind zwar an unseren Gastgebern interessiert, werden aber bestimmt nicht den ganzen Tag rumhängen, sondern die Stadt erkunden………

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